Integrative Zahnheilkunde (Archiv)

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Diktum der Regulationsmedizin - das kybernetische Gesundheitsprinzip

Von Hubertus R. Hommel

Evolution und Umwelt stehen in einem grundsätzlich interaktiven Verhältnis, dies gilt auch als Voraussetzung medizinischer Entwicklungen. Da der Mensch nach eigener Überzeugung bisher als einziges Lebewesen über Vernunft, Verstand und Gefühl verfügt, andererseits darüber hinaus auf rein körperlicher Ebene über keine Spezifikation verfügt und somit benachteiligt erscheint, muss er besondere Überlebensstrategien entwerfen. Hierzu gehört vor allem die Förderung und Stabilisierung des sozialen Bewusstseins für ein gesichertes Leben in einer symbiotischen Gruppe. Symbiontischer Mutualismus ermöglicht eine gegenseitige Nutzbeziehung über die rudimentäre Lebensdefinition der Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung hinaus, zu der im Grunde bereits eine antagonistische Zweierbeziehung ausreicht. Die Gruppenbildung gewährleistet jedoch als soziale Grundstruktur das expansive Überleben ihrer Mitglieder in ihrer Umwelt. Daher liegt die Absicht sämtlicher Medizinen in der Vermeidung soziobiologischer Schäden zum Nachteil der Leistungsfähigkeit des einzelnen Gruppenmitglieds reflektorisch auf die Gesamtgruppe [Hommel 2008].

Auf diese Weise entstand in den frühen Jäger- und Sammlerstrukturen eine vorerst rudimentäre Wundmedizin, die sich in einer reaktiven Zweierbeziehung zu Ursache und Wirkung mit der gezielten Beseitigung eines lokal definierbaren Problems befasst und aus der sich in letzter Konsequenz die Chirurgie begründet. Nach diesen Erfahrungen richteten sich anschließende kurative Maßnahmen.

Daher fußt die nach diesem überlieferten Ursache-Wirkung-Prinzip aktuell gültige Praktische Medizin auf einem Maschinenmodell, das zwar in Begründungen für das Sicht- und Messbare die Basis wissenschaftlicher Forschung liefert sowie für die Fortschritte in der Akut- und Intensiv-Medizin verantwortlich ist [Bühring 1998]. Indem es jedoch die Interaktion des Arztes mit dem Patienten als wissenschaftliches Erklärungsmodell auf der Basis der Virchow’schen Zellularpathologie strukturiert, bleiben Transzendenz und Spiritualität als metaphysische Dimension der soziobiologischen Umwelt des Menschen und somit auch des Einzelnen schlechthin, unbeachtet. Der menschliche Organismus wird hier im Sinne der Iatrophysik als eine triviale Maschine identifiziert, wonach das Verhalten von Lebewesen einem mechanischen Prozess entspricht, als ein offenes System, indem ein Beobachter verfolgen kann, wie mechanische Ursachen in mechanische Wirkungen verwandelt werden. Die triviale Maschine arbeitet hierbei ohne Lerneffekt, auf die gleiche Ursache (Input) folgt immer wieder die gleiche Wirkung (Output).

Tatsächlich gleicht aber das Verhalten von Lebewesen eher einer nicht-trivialen Maschine, als ein für einen Beobachter geschlossenes System, das in der Interpretation von Zeichen seines inneren Zustandes sich mit jedem Arbeitsgang ändert. Es ist daher lernfähig, indem es nach jeder Operation auf den gleichen Input einen anderen Output produzieren kann.

Andererseits lassen sich lebende Organismen generell nicht als Maschinen mit mehr oder weniger fertigen Strukturen klassifizieren, sondern entsprechen sich ständig selbst aufbauenden und selbstentwickelnden, autopoietischen, Systemen. Diese beschreiben neben den Beziehungen zwischen Teilen zum Ganzen die Ordnung, in der sie zueinander stehen, indem sie sich wiederum als Subsysteme erfassen lassen. Deren Funktionen basieren auf Informationsübermittlungen, wobei jedes Input in ein Zeichen umgewandelt wird, dessen Interpretation der innere Zustand des Systems bestimmt. Hierzu definiert der Input die Wahrnehmung, der Operator die Deutung des Wahrgenommenen und der Output das realitätsprüfende Verhalten. Dies entspricht einem Regelkreis, als einem in sich geschlossenen ständigen Kreislauf von Informationen in Abhängigkeit von äußeren wie inneren Störeinflüssen, in dem sich das Verhältnis eines Istwerts zum Sollwert auf das Zustandsverhalten des Systems auswirkt. Nach diesem Modell wäre die Pathogenese Informationsbeeinträchtigungen unterschiedlicher Ausmaße und entsprechend differenzierender Konsequenzen gleichzusetzen.

Da Lebewesen keine ausschließlich horizontal geordnete, sondern zudem hierarchisch und somit vertikal gegliederte Systeme sind [Uexküll 2003], bestehen diese wiederum aus weiteren Subsystemen, deren Entstehung weder vorhersagbar sind noch sich aus Teilvorgängen ableiten lassen. Dies entspricht emergenten Prozessen auf gleichzeitig biotischen, psychischen und sozialen Integrationsebenen und damit dem menschlichen Status in seiner biopsychosozialen Umwelt. In Regelsystemen kommt der Zeit-Faktor hinzu, als Brücke zwischen den einzelnen kommunikativen Operationsabläufen zum Nachteil invarianter Strukturen.

Emergente Komplexität ist hingegen nicht vereinbar mit der unilateralen, strukturbezogenen Sichtweise des Maschinenmodells. Das Modell bezieht sich ausschließlich auf arttypische Morphologie und somit auf Strukturveränderungen, weshalb unspezifische chronische und chronifizierende Erkrankungen unter diesem Aspekt nicht löschbar sind. Sie gelten deshalb als nicht heilbar, lebensbegleitend und episodisch zu situativen Lebensbedingungen, weil sie sich der Simplizität einer im Gegensatz zum Euploiden aneuploiden Grundstruktur nähern. Aneuploidie ist bekanntermaßen das eintönige Regelmodell in der Cancerogenese nach Duesberg [1998].

Autopoietische Regel-Systeme jedoch, bei denen sich mögliche Strukturveränderungen in Beziehung zu zeitlichen Komponenten befinden, betreffen dadurch vor allem chronische und chronifizierende Krankheiten, die mit den bisherigen medizinischen Ansätzen nicht geheilt werden können. Dies ist der Bereich der Regulationsmedizin, die sich mit der Qualität und Bewahrung von Regelmechanismen als Steuerungsebene für Gesundheitsmerkmale befasst. Indem sie als Krankheits-Marker den Zeitbegriff betont, erweitert sie die Blickwinkel der Herkömmlichen Medizin zur Beurteilung von Gesundheit und Krankheit, Akutizität und Chronizität. Hierzu stützt sie sich auf kybernetische Denkmodelle unter systemischen, konstruktivistischen und holistischen Gesichtspunkten. Es interessieren somit weniger die Strukturveränderungen, in denen sich übergeordnete Regelstörungen manifestieren können, sondern diese Regelstörungen selber als auslösendes Agens. Das hierfür verbindliche Gedankenmodell orientiert sich an einem Kausalzusammenhang der Qualität der Gesundheit eines Organismus mit dessen Regelgüte, wonach sich umgekehrt Krankheit als Störung der individuellen Regelkreisfunktion interpretieren lässt. Demnach sind die hierfür verantwortlichen Steuerungsmechanismen und deren Informationstransfer prioritär, die die Bedingungen für Leben und Gesundheit schaffen [Hanzl 1995, Hommel 2007].

Deshalb ist es für das Prinzip der Regelkreisfunktion unwesentlich, ob die Informationsübermittlung als elektrische Impulse nerval, als biochemische Transmittersubstanzen im Blut, in der Lymphe, in mesenchymaler Matrix oder als elektromagnetische Oszillationsmuster erfolgt. Wesentlich ist lediglich die ständige umfassende interzelluläre Kommunikation mit Systemen und Subsystemen in hoher Effizienz. Die Voraussetzungen an hierfür erforderlicher Schnelligkeit und Komplexität liefern Informationsübertragungen über oszillierende elektro- magnetische Felder. Hierunter sind generell nichtmaterielle Einflusszonen zu verstehen, über die physikalische Größen vermittelt werden können. Der menschliche Organismus mit seinem hohen Wasseranteil und seiner solaren elektromagnetischen Aufladung erfüllt diese Voraussetzungen zur nichtkorpuskulären Übertragung. Diese folgt der Kompartimentation [Spranger 2007].

Wesentlich ist hierbei die Möglichkeit oszillierender Felder andere Schwingkreise zum Mitschwingen anzuregen, wodurch der Organismus als ein Komplex schwingender Systeme anzusehen ist, was zu Interferenzen führen kann. Die wiederum bewirken durch Überlagerungen neue Schwingungsmuster, welche über Resonanzphänomene Fernwirkungen bewirken können. Störungen im Informationstransfer haben gesundheitliche Folgen, sind jedoch nur indirekt und durch ihre Auswirkungen erfassbar [Hanzl 1995].

Unter kybernetischen Gesichtspunkten lässt sich daher der menschliche Organismus mit einer Blackbox vergleichen, bei der ohne Kenntnis ihres Inhaltes ausschließlich durch den Vergleich von Input und Output konsekutive diagnostische und therapeutische Schlüsse gezogen werden können. Die hierfür angewendeten Maßnahmen sind Bestandteile der Regulationsmedizin und unterscheiden sich hierin untereinander je nach Verfahren gemäß einer Auswahl der Passung zum jeweiligen Patienten. Dabei können sie in Diagnostik und Therapie entweder komplementär zu herkömmlichen Methoden oder alternativ wirken. Die Regulationsmedizin dient der Unterstützung der Selbststeuerung. Nach der Definition des ZAEN (Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren) umfasst sie „Techniken und Methoden, die über die Möglichkeiten der Autoregulation des selbstregulierenden Organismus zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Rehabilitation eingesetzt werden können. Dazu gehören insbesondere Therapieprinzipien wie Substitution, Funktionssteigerung, Stimulation, Direktion, Detoxifikation, Ausleitung und Störfeldsanierung.“ Definition und Leistungskatalog erfassen hierzu sämtliche Naturheilverfahren, die nach der Definition des ZAEN „die Anregung der individuellen körpereigenen Ordnungs- und Heilkräfte durch Anwendung nebenwirkungsarmer oder -freier natürlicher Mittel“ beinhalten, sowie Homöopathie und Akupunktur [ZAEN 2008].

Im Verhältnis zur Herkömmlichen Medizin ist das Modell der Regulationsmedizin anscheinlich jung. Dies gilt auch für ihre Gesundheitsauffassung, die sie nach der individuellen jeweiligen Einschätzung jenes somatopsychischen Zustandes begründet, der jedem Menschen in der emotionalen Vertrautheit seiner persönlichen Umwelt angenehm ist [Hommel, 2006].

Um die der Regulationsmedizin subsumierten Verfahren zur Herkömmlichen Medizin ins Verhältnis setzen zu können, werden sie auf wissenschaftlicher Basis nach ihrer Reproduzierbarkeit beurteilt. Bisher sind nur wenige Verfahren als konkludent von der Herkömmlichen Medizin übernommen. Zur Beurteilung werden sie unterteilt in EBM (evidence based medicine), EBM-elected sowie non-EBM. EBM bezeichnet patientenorientierte Behandlungsschritte mit statistisch belegtem Wirkungsnachweis und setzt damit als Qualitätsmerkmal eine Abgrenzung zu den nicht-evidenzbasierten Therapien. EBM-elected erfasst Verfahren in Annäherung an die evidenzbasierte Medizin unter Einschluss einer Katamnese zur Qualitätssicherung, Evaluation und der Einzelfall- Dokumentation als Wirksamkeitsnachweis. EBM-elected hat die Erwartungshaltung einer möglichen Übernahme in die EBM. Non-EBM stützt sich auf Empirik auf der Grundlage vieler Erfolgsmerkmale. Somit wird die vielfach geübte Aussage, wer heile, habe recht, infrage gestellt. Die Forderungen der evidenzbasierten Medizin werden nämlich hierbei nicht erfüllt. In der systematischen Zusammenstellung aus Wahrnehmung, Erhebung von Daten, gezielten Beobachtungen und Auswertungen wissenschaftlicher Experimente kann die Non-EBM allerdings einen Übergang in die EBM-elected finden.

Die Regulationsmedizin kann und wird nicht die Herkömmliche Medizin vollständig ersetzen. Dies wäre nicht ihrer Kompetenz entsprechend. Aber sie sollte für ihren Primär-Bereich der chronifizierenden und chronischen Erkrankungen auf der ihr zustehenden Anerkennung bestehen, auf der Basis eindeutiger Qualitätsmerkmale.

Literatur:

Bühring, M.
Vermittelnder Vorschlag: Über Naturheilkunde und das "Ganze" in der Medizin
Dtsch Arztebl 1998; 95(8): A-404 / B-325 / C-304 THEMEN DER ZEIT: Kommentar

Duesberg, P.H.
Genetic instability of cancer cells is proportional to their degree of aneuploidy. Proceedings of the National Academy of Sciences (1998) 95: 13692-13697

Hanzl, G.S.
Das neue medizinische Paradigma – Theorie und Praxis eines erweiterten wissenschaftlichen Konzepts.
Karl F. Haug Verlag, Heidelberg, 1955. ISBN: 3-7760-1487-3

Hommel, H.
Kopfherddiagnostik.
In: Leiner, D. (Hrsg.): Regulationsmedizin in Theorie und Praxis. Ein Lehrbuch zur elektronischen Systemdiagnostik für Einsteiger und Fortgeschrittene Bd.1. ML Verlag Uelzen 2006, S. 207-250. ISBN: 3-88136-240-1

Hommel, H.
Medizin als kybernetisches Modell in kulturellen Zusammenhängen.
In: Spranger, H. (Hrsg.): Das medizinische Gesundheitsdesign. Biosemiotik, Regulationsphysiologie, Salutogenese. Edition CO’MED Verlagsgesellschaft GmbH Hochheim, 2007, S. 102-154. ISBN: 978-3-934672-21-5

Hommel, H.
Propädeutik der Komplementärmedizin: Bio-psycho-soziales Modell in Komplementärer und Integrativer Biologie und Medizin.
Grin Verlag 2008 Archivnummer: V114304 ISBN-13: 978-3-640-14521-8.

Hommel, H.
Propädeutik der Komplementärmedizin.
Grin Verlag 2008 ISBN-10: 3-640-146700

Spranger, H.
Physiologie in der Regulationsmedizin - Aus der Theorie der biosemiotischen Medizin.
In: Leiner, D. (Hrsg.): Regulationsmedizin in Theorie und Praxis. Ein Lehrbuch zur elektronischen Systemdiagnostik für Einsteiger und Fortgeschrittene Bd.2. ML Verlag Uelzen 2007, S. 295-328. ISBN: 978-3-88136-242-9

Uexküll, Th. v.
Modelle ärztlichen Denkens und Handelns.
In: Adler; R.H. et al: Uexküll Psychosomatische Medizin.
6. Aufl. Urban & Fischer München Jena ,2003. ISBN: 3-437-21830-1

http://www.zaen.org/index.php?content=diplome (Stand: 2008-09-06)

Autor:

Dr. Hubertus R. Hommel

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