Integrative Zahnheilkunde (Archiv)

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Zahnärztliche Werkstoffe unter umweltmedizinischen Aspekten

Von Karlheinz Graf

In der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde findet heute eine Fülle verschiedenster Werkstoffe ihre Anwendung, ein Ende der Entwicklungen ist noch lange nicht absehbar. Ihre Einsatzgebiete sind vielfältig, so dass im Prinzip die gesamte Bevölkerung mit einem zahnärztlichen (Material-)Problem, das als solches jedoch bisher kaum erkannt worden ist, konfrontiert ist.

So werden z. B. zur Zahnregulierung kieferorthopädische Apparate aus Kunststoffen und/oder aus Metallen verschiedenster Zusammensetzung konstruiert. Der weitaus überwiegende Teil unserer Bevölkerung hat Zahnfüllungen im Mund. Bis zum Lebensende unterzieht sich ein Bürger unserer modernen Gesellschaft zahnärztlichen Maßnahmen wie Zahnversiegelungen mit Kunststofflacken, Wurzelfüllungen, Kronen, Implantaten, Brücken, Teil und Vollprothesen. Nicht eine der hier kurz aufgeführten Maßnahmen ist ohne Verwendung von Fremdmaterialien durchführbar. Individuell geartete Verträglichkeitsprobleme sind deshalb nicht nur möglich, sondern sogar eher wahrscheinlich. Auf Grund der Verschiedenartigkeit der Symptomatik – und vor allem der oft mehrjährigen Karenz zwischen dem Einbringen von zahnärztlichen Werkstoffen in den Mund und dem Auftreten von Beschwerden – wird dieser Zusammenhang in unserer Symptom orientierten Diagnostik häufig nicht erkannt.

Bei der Anpreisung ihrer Werkstoffe verweisen die Hersteller immer wieder auf eine hohe Biokompatibilität ihrer Produkte, was sie durch verschiedene, teils gesetzlich vorgeschriebene Tests zu belegen versuchen. So werden in vitro (im Reagenzglas) Untersuchungen über eine eventuelle Zyto- oder Genotoxizität durchgeführt, der Grad der lokalen Irritationen ermittelt und mögliche Allergisierungsreaktionen überprüft. Diese Tests erfolgen aber unter Verhältnissen, die nicht unbedingt mit den Gegebenheiten des Mundes übereinstimmen. So muss bei diesen Versuchen beispielsweise das Kulturmilieu, was hierbei von ausschlaggebender Bedeutung ist, immer chemisch neutral gehalten werden.

In der Mundhöhle ist dagegen die größte Variable mit teils massiven Schwankungen des pH-Wertes über Plaque, Speichel und Nahrung sowie mechanischen Variablen wie Kauen oder Zähneputzen.

Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, wird der Test einer internationalen Norm unterworfen und das getestete Produkt schließlich mit einem CE-Siegel zertifiziert. Somit werden mit diesen Prüfungen zwar bestimmte Risiken minimiert – ist ein Werkstoff aber damit bereits kompatibel? Per definitionem ist Biokompatibilität die Abwesenheit sämtlicher Materialeigenschaften, durch welche biologische Systeme geschädigt oder beeinträchtigt werden (Reuling und Klätzer). Alle auf analytischer Ebene angesiedelten Prüfmethoden können aber allenfalls als grobe Vorsortierung anerkannt werden, ohne die individuelle Problematik des Einzelnen berücksichtigen zu können, denn alle Untersuchungen analytischen Ursprungs beziehen die Möglichkeiten der Regelkreisstörungen im Sinn der Biokybernetik nicht mit in ihre Überlegungen ein. Es wird auch die grundsätzliche Bedeutung energetischer Zusammenhänge für die Gesundheit bzw. Krankheit mit diesen Tests unberücksichtigt gelassen. Betrachten wir aber zuerst einmal die relevanten Materialbelastungen der am häufigsten benutzten zahnmedizinischen Materialien auf analytischer Ebene:

Kunststoffe

Kunststoffe sind Werkstoffe, die sowohl in der konservierenden Zahnmedizin in Form von Füllungen, bei Fissurenversiegelungen und bei Füllungsklebern, aber auch in der Kieferorthopädie in Form von herausnehmbaren Geräten und zur Befestigung von festsitzenden Apparaturen ihre Anwendung finden. Sie werden ebenso in der Prothetik in Form von Prothesenkörpern, Prothesenzähnen, Kronen- und Brückenverblendungen und für Kronen- und Brückenprovisorien verwendet. Nicht vergessen werden sollte, dass Kunststoff auch häufig ein Bestandteil von Befestigungszementen für Kronen, Brücken und Inlays ist. Somit bilden Kunststoffe einen wesentlichen Bestandteil der Werkstoffe in der Zahnmedizin.

Um das Problem bei der Anwendung dieser Materialien erfassen zu können, müssen wir uns erst einmal mit der Zusammensetzung dieser chemischen Kunstprodukte befassen:

Kunststoffe bestehen aus einer organischen Matrix, meist in Form verschiedener (Di)-Methacrylate und darin eingebetteten, meist anorganischen Füllmaterialien wie z. B. Quarze, Gläser, Keramik etc.

Die Matrix wiederum lässt sich in zwei Komponenten unterteilen, nämlich in die schweren Basis-Monomere und die leichten Co-Monomere. Häufigster Vertreter der schweren Basis-Monomere ist das BisGMA (Bisphenol-A-(di)-methacrylat), das in der überwiegenden Anzahl aller Kunststoffe vorzufinden ist, während das UDMA (Urethan-di-methacrylat) seltener in dentalen Kunststoffen zur Anwendung kommt. Als leichte Co-Monomere werden in der Regel das TEGDMA (Triethylen-glycol-dimethacrylat) und das HEMA (Hydroxy-ethyl-methacrylat) verwendet.

Neben diesen chemischen Reaktionsbestandteilen werden noch verschiedene chemische Substanzen beigefügt, um eine chemische Reaktion dieser Ausgangssubstanzen unter Mundbedingungen stattfinden lassen zu können und um den Werkstoff über längere Zeit lagerfähig zu machen.

Kommt es nun zu einer (Polymerisations-)Reaktion zwischen der schweren Basis und den leichten Co-Monomeren im Mund, dann reagieren nicht nur diese miteinander unter Bildung eines Kunststoffes (mit den nachfolgend ausgeführten Wirkungen auf den Organismus), sondern es reagieren auch die beschriebenen Zusätze mit den Ausgangsmonomeren und bilden eigenständige chemische Substanzen mit meist allergisierenden, aber auch toxischen Wirkungen.

Hinzu kommt, dass selbst bei optimalen Voraussetzungen die Polymerisationsreaktion der Kunststoffe fabrikatsabhängig nur ca. 35–77 % der Ausgangsstoffe (Monomere) umsetzt. Die biologische Verträglichkeit von Kunststoffen wird aber im Wesentlichen auch vom Grad der Monomer-Polymer-Umsetzung bestimmt, d. h. je weniger Monomere nach der Reaktion verbleiben, umso verträglicher ist das Material (Lehmann et al. 1993).

Somit verbleiben Restmonomere, nicht polymerisierte Zusätze wie z. B. Benzoylperoxid, sowie bei der Härtung entstehende neue Stoffe wie z. B. Camphersäureanhydrit von unterschiedlichen Mengen in den Kunststoffen, die dann über die Mundhöhle, aber auch durch Einatmen, in den Organismus gelangen und so neben allergischen vor allem auch toxische und systemische Wirkungen hervorrufen können.

Eine Freisetzung von chemisch nicht umgesetzten Restmonomeren erfolgt im Mund hauptsächlich durch Abrieb (Verschleiß) und wird begünstigt durch sauren Speichel, saure Nahrung und Getränke, Erwärmung (heiße Speisen und Getränke) sowie durch Alkohol (je hochprozentiger – umso mehr).

In die Zellen gelangen diese freigesetzten Monomere schließlich durch Verschlucken in den Darm und werden dort resorbiert, wobei Kleinstpartikel von einer Größe >100 Mikrometer auch eingeatmet und über die Lunge in die Blutbahn und so in den Organismus gelangen können.

Wissenschaftlich-analytisch festgestellte Wirkungen dentaler Kunststoffe auf unseren Organismus sind folgende:

  • Durch nicht umgesetzte Restmonomere, Zusätze und Reaktionsprodukten mit diesen kann es zu Reizungen, chronischen Entzündungen oder zum Absterben des Zahnnervs kommen (Buchmann 1992; Berkiten 2000). Eine chronische Entzündung des Zahnnervs oder gar ein toter Zahnnerv sind Störfelder und Belastungen für das Regulations- und Immunsystem.
  • Bei fünf von sechs wichtigen Bestandteilen von Kunststoffen besteht eine teils erhebliche Zytotoxizität (Zellgiftigkeit), wobei BisGMA als Hauptbestandteil der organischen Matrix die geringste zelluläre Verträglichkeit aufwies (Lehmann et al. 1993).
  • Durch Verschlucken bzw. Inhalation kommt es zu signifikanten Anreicherungen von Monomeren in Organen (insbes. der Niere) (Reichl 2003). Organbelastungen können zu Funktionsstörungen dieser Organe führen.
  • Bakterien verstoffwechseln nicht umgesetzte (Rest-)Monomere zu hochtoxischen Epoxiden und Formaldehyden (Reichl 2002 und Reichl 2003). Es ist bekannt, dass Epoxide und Formaldehyde mutagene und kanzerogene Eigenschaften besitzen.
  • Bakterien und Pilze nutzen Kunststoffe als Kohlenstoffquelle für ihren Stoffwechsel (Friedl 1992). Somit muss insbesondere bei Patienten mit belastetem Immunsystem oder Milieuentgleisungen des Körpers dieser werkstoffkundliche Aspekt besonders beachtet werden.
  • Monomere besitzen sehr hohe allergische Potenz (Munksgaard 1996; Lindstrom 2002). Somit tragen nicht nur allergische Risikopatienten, sondern durch den täglichen Umgang mit diesen Materialien vor allem auch Zahnärzte und deren Personal sowie Zahntechniker ein hohes Allergierisiko mit allen damit verbundenen Gefahren.
  • Peroxide vervielfachen (potenzieren) die toxische Wirkung von Monomeren, insbesondere von TEGDMA (Reichl 2003). Faktum ist, dass Peroxide in unserem Organismus durch die tägliche Stressbelastung, aber auch durch unsere heutige Zivilisationskost verstärkt gebildet werden. Wir sollten auch wissen, dass das heute immer beliebter werdende Zähnebleichen mit Peroxiden durchgeführt wird und unter diesen Voraussetzungen zur Potenzierung der toxischen Belastung aus Kunststoffen beiträgt.
  • Die mutagene und kanzerogene Wirkung von BisGMA, TEGDMA und HEMA in hohen Konzentrationen wurde bewiesen (Reichl 2003). Diese Wirkung trat allerdings erst bei so hohen Konzentrationen auf, wie sie üblicherweise im Mund nicht vorkommen können.
  • Die hormonähnliche Wirkung wie bei Östrogenen wurde von BisGMA bewiesen (Olea 1996; Reichl 2003). BisGMA ist in fast allen Kunststoffen vertreten!

Bonder (Haftvermittler für Kunststoffe)

Leider unterliegen die Kunststoffe beim Polymerisationsvorgang einer mehr oder minder großen Volumenschrumpfung, so dass bei Kunststoff-Füllungen die Bildung eines Randspaltes zwischen Füllung und Zahn und damit die Gefahr einer Sekundärkaries an dieser Stelle hoch ist. Deshalb wird zur Minimierung dieser Gefahr und zum besseren Halt der Füllung die Haftung am Zahn durch eine sog. Säure-Ätz-Technik verbessert. Durch eine Anätzung der Zahnoberfläche mit anschließendem Auftragen eines Haftvermittlers (Bonder) kommt es somit zur Mikroverzahnung zwischen Zahnoberfläche und Kunststoff.

Es ist schlichtweg toll, was die heutige Zahnmedizin unter Zuhilfenahme dieser Bonder alles bewerkstelligen kann. Im Glauben an den zahnmedizinischen Fortschritt werden jedoch leider Veröffentlichungen über unerwünschte Wirkungen auf unsere biologischen Systeme nicht allzu ernst genommen.

Aus diesem Grund zitiere ich einige Wissenschaftler zu diesem Thema:

  • Nach dem Aufbringen von Bondern treten vermehrt chronische und akute Entzündungen des Zahnnerves sowie Mikroabszesse auf. Auch ein Absterben des Zahnnervs wurde vielfach beobachtet (Pereira 2000; Camps 2000; Demarco 2001; de Souza Costa 2002).
  • Bonding-Systeme beeinflussen die Immunreaktion des Zahnnervs und erhöhen ihre Anfälligkeit gegenüber Noxen (Giften) (Sandberg 2002).
  • Bonding-Systeme lösen in Zellkulturtests meist heftige zytotoxische Reaktionen aus (Ratanasathien 1995; de Souza Costa 1999; Demarco 2001).
  • Es wurden 22 verschiedene Schmelzadhäsive (Bonder) überprüft. Nur zwei Proben davon waren wenig bis mäßig zytotoxisch (Siebert et Bindl 1995).
  • Von sechs Dentinadhäsiven erwiesen sich fünf als stark zytotoxisch und eines als mäßig zytotoxisch (Siebert et Bindl 1995).
  • Das in Bondern enthaltene TEGDMA und HEMA hemmt die Gluconeogenese und damit den Energiestoffwechsel mit möglicherweise weitreichenden gesundheitlichen Folgen im Organismus, insbesondere an den Zielorganen wie z. B. der Niere (Reichl 1999).
  • Das in den Bondern enthaltene TEGDMA und HEMA bildet im Stoffwechsel hochtoxische Metabolite (z. B. Epoxide) mit wahrscheinlich mutagener und kanzerogener Wirkung (Reichl 2002; Reichl 2003)
  • Bonder besitzen eine hohe allergische Potenz. Insbesondere die darin enthaltenen Co-Monomere TEGDMA und HEMA sind diesbezüglich höchst bedenklich (Munksgaard 1996; Schuurs 2000; Lindstrom 2002).

Wenn man jetzt auch noch bedenkt, in welchen zahnärztlichen Werkstoffen die Co-Monomere TEGDMA und HEMA beinhaltet sind, dann hat das Anwendungsspektrum für Kunststoffe und Bonder in einer biologischen Zahnmedizin nur eine sehr begrenzte Indikation.

TEGDMA und HEMA befinden sich in:

  • Füllungswerkstoffen aus Kunststoff
  • Fissurenversieglern
  • Bonding-Systemen
  • kunststoffhaltigen Befestigungszementen
  • Klebern für Veneers (Keramik-Verblendschalen für Zähne)
  • Kleber für Keramik-Inlays und -Kronen
  • Kleber für festsitzende kieferorthopädische Geräte
  • manchen Unterfüllungen

Bei regulationsgestörten oder auch chronisch kranken Patienten verbietet sich somit die Anwendung solcher Werkstoffe. Das heißt aber auch, dass beispielsweise der Austausch von Amalgam-Füllungen zu Gunsten von Kunststoff-Füllungen oder Keramik-Inlays (die mit Bonding-Systemen befestigt werden müssen) nicht sehr sinnvoll ist.

Zur Hierarchie der Toxizität verschiedener zahnärztlicher Materialien wäre noch festzustellen, dass nach Untersuchungen von Reichl et al. (1999) festgestellt wurde, dass TEGDMA zehnmal toxischer ist als HEMA, Methyl-Quecksilberchlorid (aus verschlucktem Amalgam) etwa 100 mal toxischer ist als TEGDMA und Quecksilber-dichlorid (aus Amalgam) nochmals zehnmal toxischer ist als Methyl-Quecksilberchlorid.

Somit ist das Quecksilberdichlorid (aus Amalgam) etwa 10.000 mal toxischer als HEMA.


Die Literatur kann beim Autor angefordert werden.

Autor:

Dr. Karlheinz Graf
Zahnarzt und Heilpraktiker

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